2008/08/27

wattn-fall

es liegt desöfteren am wegesrand, mal links mal rechts, manchmal beim laufen, meist beim radfahren - das heizkraftwerk klingenberg [1]. ein unansehnliches ungetüm aus jeder menge rohrwirrwar, roten backsteinbauten und zwei hohen schloten. an manchen tagen erkennt man in der abgaswolke vom treptower park aus gesehen ein herz. das wars dann aber schon mit den schönen seiten. wer abends ne runde am ufer der spree durch den treptower park läuft [2], wird es kaum überhören - das unablässige qietschen des entladebaggers. im schichtbetrieb werden die binnenschifffahrtsverbände geleert. kohlestaub, gemahlen um in die brennkammern geblasen zu werden. in den zwanziger jahren erbaut, lange zeit das modernste seiner art, wurde es bereits mehrfach modernisiert und u.a. mit elektrofilteranlagen ausgestattet. soweit ja alles recht unspektakulär - von der zeitlosen architektur der hauptbauten mal abgesehen.

doch es ist ein streit entbrannt im letzten jahr. entzündet an dem willen des betreibers vattenfall [3], das kraftwerk umzubauen. besser gesagt neuzubauen. grösser, moderner und damit auch für viele bedrohlicher. nach bekanntwerden des bestrebens formierte sich widerstand [4], wurde in den fraktionen diskutiert [5], [6], [7], gross angefragt [8](*.pdf), beantragt [9] und letztlich der ball wieder an vattenfall zurückgespielt.

es ist also fast wieder alles ein bisschen offen. ob es überhaupt zu einem neubau kommt und wenn ja, in welcher form. bis jetzt steht da ein betagtes aber nicht unmodernes kraftwerk. produziert strom und fernwärme. wegen letzterer sieht man auch keinen kühlturm. das neue kraftwerk in seiner bisher geplanten form käme nicht ohne einen solchen aus. es könnte aber immer noch fernwärme angeboten werden. berlin hat eines der grössten und am besten ausgebauten fernwärmenetze in westeuropa. es gibt ein paar feine unterschiede zwischen ost- und westberlin, aber im grossen und ganzen liesse sich darüber eine menge energie zum kunden transportieren.

doch gerade das erscheint mir ein wenig undefiniert. wie sieht der fernwärmemarkt in berlin in den nächsten jahrzehnten überhaupt aus? der fernwärmemarkt hat auf jeden fall schon mal bessere zeiten gesehen. berlin hat nicht viele grossindustrielle abnehmer. im büro- und funktionsgebäudebestand fehlen immer noch die grosskonzepte zur nutzung von fernwärme für kälteanlagen [10], [11]. im nichtangeschlossenen wohnungsbestand ist kaum von einer neuerschliessung durch fernwärme auszugehen. als gross muss hier auch die konkurrenz mit kleinstanlagen und alternativtechnologien eingeschätzt werden.

es erscheint so, als ob der stromsektor genügend anreiz bietet, ein solch riessiges projekt angehen und finanzieren zu wollen. da es bald ein jahrhundert her ist, dass der standort rummelsburg gewählt wurde, zwängt sich die frage auf, ob eine standorterhaltung für einen im wesentlichen von stromproduktion getriebenen neubau nicht unter dem deutlich veränderten standbild bewertet werden muss. persönlich lächle ich zwar über manche stadtteile ausserhalb des rings, objektiv betrachtet sind dies aber bereiche mit einer deutlich höheren besiedlung und nutzung als vor hundert jahren. nachdem weite teile der berliner zentralbezirke gentrifizierten hochpreiswüsten gleichen, bleibt vielen bewohnern, kleinstunternehmen und kulturschaffenden eben nur der rückzug in richtung stadtrandlage.

und genau das halte ich für den eigentlichen diskussionswürdigen punkt. braucht berlin ein kraftwerk des geplanten typs und der geplanten grösse an diesem ort? ab welchem grad der teilung zwischen fernwärme- und stromproduktion ist ein verbleib in rummelsburg nicht mehr vertretbar - auch mit der konsequenz, dann eben nicht mehr in das fernwärmenetz koppeln zu können? da die deutschen energieversorger ja spätestens seit den letzten grossen stürmen 06/07 wieder bewusst und verstärkt in die infrastruktur auf seite der netze investieren, gilt also weiterhin, dass wir in deutschland eine vergleichsweise gute ausgangslage zum übertragen von elektrischer energie haben. ein neubau an ort und stelle wäre zwar etwas wie ein "recyceln", gewissermassen von gutem vorsatz, obgleich dies aber nicht die nachhaltigste lösung darstellen muss.

ich werd mir das noch genauer angucken. am liebsten die umgebung dort - und ohne kohlekahn wärs mir auch recht.

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