Was mich immer wieder überrascht, ist, wenn Menschen denken das dieses eine Werkzeug, dieser eine Kurs oder dieses eine Mal etwas auf Youtube, Insta oder TikTok angeguckt zu haben automatisch dafür sorgt, etwas zu können. Selbst mit der allerbesten, pädagogisch saubersten Lehre wird man in der Regel in die Lage versetzt, etwas leidlich gut nachzumachen. Ungefähr so wie ein Rezept lesen und danach kochen. Das ist niemals so gut wie das Ergebnis des zum hundertsten Mal zubereiteten Lieblingsgerichts. Man segelt nicht automatisch gut wenn man einen Segelschein gemacht hat, kann im allgemeinen nicht klettern wenn man nen Kletterkurs gemacht hat. Oder wenn jemand etwas baut, bastelt - handwerklich erschafft. Wir sehen immer nur das Ergebnis, nur einen klitzekleinen Ausschnitt aus dem Leben der Person der wir da zuschauen. Wir wissen nichts davon wie lange es gedauert bis jeder Handgriff so sitzt, jede Bewegung so abläuft wie wir es sehen können.
Was uns dann immer noch verborgen bleibt - wie lange es gedauert hat bis die Person das, was sie da tut, fühlen oder spüren konnte. Wie sich ein Gewindeschneider in zähem Edelstahl kurz vor dem Abreißen anfühlt, wie der Unterschied zwischen einem Schliff mit 200er Korn und leichter Kraft gegenüber einem 240er Korn mit mehr Kraft nur allein unterschiedlich warm auf der Rückseite des Schleifpapiers wahrzunehmen ist. Es gibt tausende solcher Beispiele - das richtige Schmatzen einer Farbrolle auf der Wand, der saubere Zuschnitt eines Schnittmusters, usw.. In Videos, deren Länge unsere konditionierte werbegerechte Aufmerksamkeitsspanne nur nicht überfordern darf, sehen wir die zusammengeschnittenen Momente mit dem just fertig gestellten Ergebnis. Wie viele erliegen dabei dem Irrglauben mit ein bisschen gucken und einer Erläuterung schaffen sie das ebenfalls.
In der Regel sehen wir Menschen zu, die das, was sie da tun, mit einer Leidenschaft und Hingabe etliche Jahre perfektioniert haben. Oder aus einem Arbeitsdruck und einer steten Wiederholung eben auf das effizienteste optimiert haben. In allem stecken etliche Stunden an Fehlschlägen, an Ausschuss, an Frust, an tausenden kleinen Schritten hin zu einer Qualität die wir in der Regel nie erreichen werden.
Ich mag selbst unheimlich vieles ausprobieren. Die nötige Neugierde hatte ich schon immer, den Zwang schnell "brauchbare Resultate" zu bringen habe ich in meiner Jugend über mich ergehen lassen müssen. Die Kehrseite davon beschäftigt mich noch heute und wird es wohl immer. Der Nebeneffekt davon - vieles doch recht gut zu können. Einiges sogar ein bisschen besser. Wenn ich zurückschaue, beherrsche ich die Dinge, die ich besonders oft wiederholt habe, wahrscheinlich am Besten. Es ist bei mir vielleicht nicht so sehr Talent sondern eher die Ausdauer und der Wille zur Verbesserung des Könnens. Wenn ich mir die Streubüchsen mit Talent, Neugierde, Ausdauer so anschaue werden die wahrscheinlich in einer Normalverteilung über der Menschheit ausgekippt. Wir alle können die meisten Dinge halt so einigermaßen mittel. Ausdauer ist schon etwas, das mir liegt und vielleicht gerade deshalb kann ich ein paar Dinge dadurch ein klitzekleines Stückchen zum besseren verschieben. Niemand weiß, wie viele Stunden dafür notwendig waren, um dahin zu kommen. Die meisten Menschen haben dazu aber auch einfach keinen Bezug, haben keine Vorstellung von dem Tun der Mitmenschen.
Wenn ich auf Anlagen unterwegs bin, ertappe ich mich dabei, einfach mal anzuhalten und den Leuten zuzugucken. Ich mag das. Der Isolierer an seiner Industrienähmaschine der die Matten für eine Maschine näht, der Fliesenleger wie er Quadratmeter für Quadratmeter Industriefußboden mit Spaltplatten macht, der Schweißer der eine Naht in 40mm Wandstärke mit ruhiger Hand über Kopf Raupe für Raupe legt. Die könnten mir das alle zeigen und mir erklären - ich hätte trotzdem nie den Anspruch das je so gut zu können. Und genau deswegen arbeiten all diese unterschiedlichen Menschen mit ihren Stärken ja auch zusammen. Und je weiter der Begriff des Handwerks gedacht wird gilt das irgendwie für alles um uns und zwischen uns.
Wenn mich das eines gelehrt hat, ist es, das eigene nicht mit dem Ergebnis eines anderen Menschen zu vergleichen. Vielleicht noch, um den Respekt davor einordnen und ermessen zu können, aber bitte nicht, um seine eigene Leistung ins Verhältnis zu setzen. Es birgt so weniger Gefahr, enttäuscht zu sein. Auf das eigene Können von vor ein paar Jahren zu schauen ist einfach die gesündere Variante. Und wird in den seltensten Fällen ein Grund für ein Hadern sein. Ohne die Bereitschaft zur Ausdauer wird ein durchschnittlich talentierter Mensch halt einfach nicht dahinkommen. Ich hab mir das irgendwann so hingelegt, nur so hohe Ansprüche an mich selbst zu setzen, wie ich auch bereit bin, die nötige Ausdauer mitzubringen.
Und andere Menschen haben halt andere Ansprüche an sich an gleicher Stelle und gleiche Ansprüche an sich an anderer Stelle.
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