2025/12/21

von der Kunst...

...sich gut zu streiten.

Grad kein Bock den kompletten Weg zurück zu fahren, den Rest regelt die Bahn. Es war schön. Und vielleicht war es dort am schönsten. Ohne Streit. Überhaupt - Streit. Streiten.

Vor ein paar Jahren kam mir das immer wieder in verschiedenen Büchern, Podcasts, Videos und langen Spaziergängen oder Abenden mit Freunden unter - warum wir streiten, wie wir streiten, wie wir besser streiten.

Ganz vorne war dabei - es geht nie um die Sachebene. Hinter allem Streit stecken Bedürfnisse. Streit ist am Ende eigentlich nur die Unfähigkeit der Streitenden, diese Bedürfnisse so zu zeigen, dass sie ankommen und die Unfähigkeit der Streitenden diese Bedürfnisse als solche (an-) zu erkennen und ernst zu nehmen.

Das meiste, was dabei schief gehen kann, passiert unbeabsichtigt. Ich bleibe davon überzeugt, dass Menschen erst einmal wohlwollend zueinander, miteinander sein möchten. Warum reicht das dann nicht aus? Weil wir Menschen sind und Fehler machen, manches besser und manches schlechter können.

Ich glaub ja, wir sind oft viel zu schnell dabei, etwas als Wahrheit in den Raum zu stellen. Wir stören uns an etwas, sind sauer, verorten unseren Unmut bei jemandem und schon steht ein Vorwurf im Raum. Und dann sind wir einfach zu schnell, das als Tatsache zu äußern oder als Vorwurf. Wie geht's besser?

Ich versuche zuerst rauszufinden, warum ich mich gestört fühle, ungesehen, angegriffen. Es fällt mir immer noch nicht leicht unter einer Enttäuschung, Frust oder Wut zu merken was ich mir gerade wünsche von meinem Gegenüber. Dabei ist diese Perspektive, meinen "Wunsch" bzw. mein "Bedürfnis" zu erkennen wichtig, weil ich damit meinem Gegenüber weiterhin Wohlwollen unterstelle. Andersrum ist es nicht leicht, dieses Wohlwollen aufrecht zu erhalten, ganz besonders wenn mein Gegenüber wütend ist und mir etwas vorwirft. Viel zu schnell landet man dann in einem Teufelskreis auf Anschuldigungen und Vorwürfen. Unter jedem "Angriff" stecken am Ende auch nur Bedürfnisse, Wünsche. Wie geht's besser?

Wenn ich es schaffe, mein Bedürfnis zu erkennen, möchte ich dann natürlich, dass es ernst genommen und hoffentlich erfüllt wird. Dazu muss es aus meiner Gefühlswelt in das Fühlen des anderen Menschen kommen. Leider gibt es auch da noch ein paar potentielle Sollbruchstellen. Kann ich mein Bedürfnis so formulieren, dass ich es als Wunsch zeige, als Bedürfnis? Eigentlich ja, eigentlich geht das mega einfach. Eine gute Freundin übt das mit den Kindern in ihrem Kindergarten schon frühzeitig. Dort wird es als Giraffen- oder Wolfssprache gelernt - Gewaltfreie Kommunikation.

Der Theorieteil zum wie fängt ja auch vorne an, zuerst das Beobachten und Benennen von Gefühlen, das Erkennen von Bedürfnissen. 

    a … Beobachtung
    b … Gefühl
    c … Bedürfnis
    d … Bitte

Beim Streiten finde ich den Schritt des wie fast mit am wichtigsten - um einen Streit zu etwas werden zu lassen, was verbindet statt voneinander entfernt. "Ich"-Botschaften statt "Du"-Angriffe - so wichtig.

Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen einem "Du nimmst mich nicht ernst!" oder "Ich fühle mich nicht ernst genommen!" und einem "Ich wünsche mir, dass Du mich ernst nimmst.". Ich weiß nicht, wie oft ich darum gebeten habe, wenigstens diese kleine Herausforderung anzunehmen, in solchen Ich-Botschaften zu bleiben. Sie helfen so sehr, das eigene Bedürfnis zu benennen, das darunter liegende Gefühl zu zeigen. Wir sind viel zu schnell dabei, dem anderen Menschen vorzuwerfen, uns nicht zu verstehen, wo wir es doch selbst in der Hand haben, erst sichtbar zu machen was wir verstanden wissen wollen.

Ich habe mir das so sehr gewünscht, das zusammen zu üben. Ich bin überzeugt davon, dass diese Methoden ein Streiten zu etwas Verbindendem machen können statt zu einem Angreifen und Verteidigen, einem Kämpfen ums Rechthaben. Denn das spielt keine Rolle.

    "Willst Du lieber Recht haben oder glücklich sein? Beides zusammen geht nicht." (Marshall Rosenberg)

Mir fällt es schwer, ein Dauerfeuer von Du-Vorwürfen auszuhalten. Ich möchte das auch gar nicht aushalten müssen. Das hat unsere Elterngeneration zu oft vorgelebt, das zerstört, verletzt und macht unnötig kaputt. Ich wünsche mir da ein erwachseneres Miteinander. Wahrscheinlich ist das auch ein bisschen dieses "der Ton macht die Musik" - es kommt eben doch sehr auf das wie an. Wir sind soziale Wesen, wir sind so sehr viel offener für Bitten als für Forderungen.

Der Theorieteil zum wie nicht zeigt die Punkte, welche einem gesunden wie entgegenstehen.

    a … Das (moralische) Urteilen über den Kommunikationspartner.
    b … Das Anstellen von Vergleichen.
    c … Das Leugnen der Verantwortung für eigene Gefühle und Handlungen.
    d … Das Stellen von Forderungen anstatt von Bitten.

Kann ich das? Jain. Es gibt es viele Gespräche, in denen mir das leicht fällt. Eigentlich immer dann wenn ich erkenne, dass der andere Mensch sich genauso darum bemüht. Ich hätte das gerne auch für die anderen Momente so gelebt. Nicht dass es mir leicht fällt, im Gegenteil. Aber wenn Kommunikation  zwischen zwei Menschen wiederholt nicht funktioniert, lohnt es sich doch hinzuschauen, was beide besser machen können. Leider geht sowas nicht alleine, ich hätte mir das sehr gewünscht, über sowas mal abseits eines Streits zu reden. Ich finde das ein schönes Ziel, was man sich setzen könnte. Was man zusammen lernen kann und es beiden hilft, nicht auseinander zu fliegen.


Dieses Foto müsste zwei Menschen nicht wehtun. Wir haben das mit dem wie nicht ernst genommen.

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