Woran wir uns erinnern. Irgendwann habe ich aufgehört mich zu wundern, warum ausgerechnet ganz bestimmte Momente in Erinnerung bleiben. Man erlebt etwas, macht ein paar Bilder und hat ein paar Worte gewechselt. Irgendwo dazwischen gibt es Momente, die anders sind.
Die sich anfühlen. Die den ganzen Augenblick mitgenommen haben. Die unscheinbar sind, über die man manchmal hinweglebt während dessen.
Momente, die unspektakulär scheinen. Es sind nie die, die auf Bildern haften. Manchmal an Worten. Vielleicht sind es die, in denen nichts musste, nichts gesprochen, nichts gedacht.
Sie sind friedlich, alle.
Gestern war wieder so ein Augenblick. Da sind zwar Stunden voller Eindrücke, aber die sind austauschbar, die machen nichts mit mir. Der eine Augenblick der wahrscheinlich bleibt wollte nichts, nicht treten, nicht lenken, nicht essen, nicht denken.
Mittagssonne, kalter Wind, hinter einer kleinen Scheune ein Stapel Baumstämme vom nahen Wald. Pause. Ich habe mich da auf die Stämme gelegt. Anfangs die Wolken angeguckt. Augen zu, die Geräusche aus der Ferne, die von direkt neben mir. Die Wärme auf dem Gesicht, das Holz im Rücken.
Vielleicht habe ich einfach ein bisschen zu viel Müsserei in meinem Sein. Einfach liegen, sein, wahrnehmen und fühlen was ist. Das verhakte Blatt, was mit dem Wind hörbar am Holz gekratzt hat.
Wie viel mehr solche Momente sind. Die nicht-lauten.
Irgendwie schön, dass es immer diese Art der Erinnerungen sind. Vielleicht weil ich genau diese Sorte wirklich brauche. Vielleicht weil genau da das Leben so unscheinbar schön passiert.
Vielleicht braucht es auch gar nicht mehr, so ein Leben. Diese Momente, in denen man spürt, was gerade Gutes ist.
Die letzten Handgriffe am Versuchsstand im Labor. Damals in der Neustadt, in einem alten Gewerbebau in einem Hinterhof der Görlitzer. Dann den Rucksack schnappen, letzte Mitfahrgelegenheit nach Berlin, der Pendler. Noch zwei Jahre bis zur Rente, jeden Tag Berlin-Dresden. Wegen der Tauben und dem Garten und dem Alter. Fünf Euro die Strecke, wer nicht pünktlich ist hat Pech. Der Abend war Zwischenstation. Leere Straßen im Kiez, Friedrichshain war damals schon längst fertig. Die surreale Stille auf der zugeschneiten Karl-Marx-Allee einatmen. Gedämpfte Geräusche, gedämpftes Licht. Selbst die blinkenden gelben Ampeln schienen langsamer als sonst.
Irgendwann da hat es angefangen, dass ich mir Weihnachten von außen anschaue.
Sydney und New York zählen da irgendwie auch dazu, weil es die versprengten Menschen anderer Länder sich hat finden lassen. Die Kids aus Israel in ihrer Pause vom Militärdienst oder vor dem Antritt. Die Studenten, für die der Kurztrip nach Hause schlicht zu teuer war. Keine Gespräche unter der Gequältheit wie es in den meisten Familien der Fall zu sein schien. Einfach miteinander sein.
Wieder Berlin, wieder die, für die es kein friedvolles zuhause gab. Spreebögen, breites Kreuz an der Tür, aber heute kam jede:r rein. Es waren nicht viele, aber alle verband die gleiche Festflucht & Bassbescherung. Die Kids aus Marzahn und Hellersdorf, die üblichen Lichtenberger Hackfressen, die immer-dabei-Crew aus Mitte. Mit sich alleine mit anderen im dunklen Geballer, mit fremden oder wiedererkannten an der Theke, oder Pause machen an die Wand gekauert. Wir haben uns damals diese Nacht Dopamin satt geschenkt. Safe-space für die, die zuhause keinen hatten.
Es fühlt sich fremd an, in einer Familie angenommen zu werden. Es hat gedauert damals, bis ich mit dem Miteinandersein zu dieser Zeit verwachsen bin. Eine Balance gefunden hatte zwischen diesem liebgewonnenen von-außen-anschauen und dem darin-wohlfühlen.
Die Festive500 ab 24ten 0:00 Uhr, 500km, einmal Rumtopf nach Potsdam und zurück. Vor Mitternacht ankommen, dazwischen alle Wetter. Und diese magischen Stunden zwischen dem späten Mittag und dem Abend. Wo alle ganz behutsam unterwegs sind. Rausgeputzt vor die Tür treten, zur oder von der Kirche, beieinander stehen auf den Parkplätzen, Verpacktes aus den Kofferräumen hievend. Der dagebliebene Storch auf der nassen Wiese, die schief gesungenen Weihnachtslieder hinter den Gardinen. Mit der Dämmerung dann die Lichter in den leeren Straßen. Es ist die vielleicht schönste Zeit zum Radfahren über die Dörfer. Es ist leer und doch voller Leben. Ein dahingleiten, ein Aufsaugen.
Es ist schön, wenn man irgendwo ankommen kann und es sich so warm anfühlt wie es von außen aussieht. Ich habe zwei Lichter angelassen.
...kommunizieren ist Blödsinn. Das tat schon am Anfang nicht gut und wurde nie besser. Vom gefrorenen Streichfett bis zu Konzerttickets die gar nicht gemeint waren. Fehlinterpretationen und Missverständnisse, endlose Spiralen von hin- und hergeworfenen Nachrichtenbrocken über lange Stunden. Stochern in der Sachebene, Wehtun in dem darunter.
Es ist auch nicht neu, dass Menschen, die im Professionellen etwas gut können, gerade das im Zwischenmenschlichen oder Privaten eher nicht so gut können. Vorzuwerfen haben wir uns am Ende nur, das nicht anzuerkennen und Hilfe abzulehnen. Wir hätten eine eigene Staffel in "Die Paartherapie" verdient.
"Verletzungen hin und her zu schieben, ist wie Billard. Irgendwer wird immer getroffen und Ruhe kehrt erst ein, wenn alles versenkt ist."
Geht nicht. Kaue ich seit Monaten drauf rum. Ich habe es noch nie verstanden, wie etwas worüber ich gelacht habe, worüber ich Freude empfunden habe, rückblickend betrachtet "entlacht" oder "entfreudet" werden soll.
Ein Moment voller Lachen und Freude wird immer ein Moment voller Lachen und Freude bleiben. Zum Glück. Zusammen auf zwei Rädern durch nen Wald brettern, dabei grinsen und lachen wird nicht zu einem schlimmen Erlebnis nur weil es neben einem schlechten Moment steht. Warum soll diese Ambivalenz nicht einfach sein dürfen? Warum so ein Einteilen in schwarz oder weiß? Haben wir einen tollen Tag gehabt und dann einen Scheisstag - bleiben dann nicht beide?
Ich erlebe das Dasein als eine Mischung, eine Aneinanderreihung von schönen und unschönen Momenten. Ohne das "es war nicht alles schlecht" zu strapazieren - das ist das Leben. Ich will mir das auch nicht künstlich kaputt machen, mir der schönen Erinnerungen berauben und darüber hinaus alles ins Negative umkehren. Wie traurig allein der Gedanke daran. Wieviel Bitterkeit dann bleibt, wenn eines Erinnerung am Ende nur die negativen Erfahrungen aufbewahren will. Ich könnte das nicht - mir die eigene Welt mit Absicht so dunkel anmalen. Ich verstehe auch nicht, was es bringen soll, sich schöne Momente rückwirkend umzudeuten oder gar zu negieren. Wir haben nur ein Leben und nur diese eine Möglichkeit das zu erleben.
Klar kann jede:r für sich selbst entscheiden wie negativ die eigene Erinnerung aussehen soll. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, macht die eigene Erinnerungskultur etwas mit einem Menschen. Behalte ich nur das Positive in Erinnerung belüge ich mich genauso wie wenn ich mich nur auf das Negative konzentriere. Das eine malt mir eine naive rosa Seifenblase und das andere einen düster verbitterten Blick auf die Welt. Ich muss nichts verklären oder schönreden, aber ich muss auch nichts negieren. Will ich mit einem Rucksack voll negativer Erinnerungen durch die Gegend rennen? Ganz sicher nicht. Irgendwann würde mich das runterziehen. Und irgendwann auch meine Mitmenschen. Das habe weder ich noch die Leute um mich verdient. Es gibt schließlich schon genug nörgelnde grumpy Rentner auf diese Welt.
(früher konnte man so drei Worte wie hier als Überschrift ja einfach mal so stehen lassen, aber da Menschen wieder Dinge auf sich beziehen... seufzend ab)
Grad kein Bock den kompletten Weg zurück zu fahren, den Rest regelt die Bahn. Es war schön. Und vielleicht war es dort am schönsten. Ohne Streit. Überhaupt - Streit. Streiten.
Vor ein paar Jahren kam mir das immer wieder in verschiedenen Büchern, Podcasts, Videos und langen Spaziergängen oder Abenden mit Freunden unter - warum wir streiten, wie wir streiten, wie wir besser streiten.
Ganz vorne war dabei - es geht nie um die Sachebene. Hinter allem Streit stecken Bedürfnisse. Streit ist am Ende eigentlich nur die Unfähigkeit der Streitenden, diese Bedürfnisse so zu zeigen, dass sie ankommen und die Unfähigkeit der Streitenden diese Bedürfnisse als solche (an-) zu erkennen und ernst zu nehmen.
Das meiste, was dabei schief gehen kann, passiert unbeabsichtigt. Ich bleibe davon überzeugt, dass Menschen erst einmal wohlwollend zueinander, miteinander sein möchten. Warum reicht das dann nicht aus? Weil wir Menschen sind und Fehler machen, manches besser und manches schlechter können.
Ich glaub ja, wir sind oft viel zu schnell dabei, etwas als Wahrheit in den Raum zu stellen. Wir stören uns an etwas, sind sauer, verorten unseren Unmut bei jemandem und schon steht ein Vorwurf im Raum. Und dann sind wir einfach zu schnell, das als Tatsache zu äußern oder als Vorwurf. Wie geht's besser?
Ich versuche zuerst rauszufinden, warum ich mich gestört fühle, ungesehen, angegriffen. Es fällt mir immer noch nicht leicht unter einer Enttäuschung, Frust oder Wut zu merken was ich mir gerade wünsche von meinem Gegenüber. Dabei ist diese Perspektive, meinen "Wunsch" bzw. mein "Bedürfnis" zu erkennen wichtig, weil ich damit meinem Gegenüber weiterhin Wohlwollen unterstelle. Andersrum ist es nicht leicht, dieses Wohlwollen aufrecht zu erhalten, ganz besonders wenn mein Gegenüber wütend ist und mir etwas vorwirft. Viel zu schnell landet man dann in einem Teufelskreis auf Anschuldigungen und Vorwürfen. Unter jedem "Angriff" stecken am Ende auch nur Bedürfnisse, Wünsche. Wie geht's besser?
Wenn ich es schaffe, mein Bedürfnis zu erkennen, möchte ich dann natürlich, dass es ernst genommen und hoffentlich erfüllt wird. Dazu muss es aus meiner Gefühlswelt in das Fühlen des anderen Menschen kommen. Leider gibt es auch da noch ein paar potentielle Sollbruchstellen. Kann ich mein Bedürfnis so formulieren, dass ich es als Wunsch zeige, als Bedürfnis? Eigentlich ja, eigentlich geht das mega einfach. Eine gute Freundin übt das mit den Kindern in ihrem Kindergarten schon frühzeitig. Dort wird es als Giraffen- oder Wolfssprache gelernt - Gewaltfreie Kommunikation.
Der Theorieteil zum wie fängt ja auch vorne an, zuerst das Beobachten und Benennen von Gefühlen, das Erkennen von Bedürfnissen.
a … Beobachtung
b … Gefühl
c … Bedürfnis
d … Bitte
Beim Streiten finde ich den Schritt des wie fast mit am wichtigsten - um einen Streit zu etwas werden zu lassen, was verbindet statt voneinander entfernt. "Ich"-Botschaften statt "Du"-Angriffe - so wichtig.
Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen einem "Du nimmst mich nicht ernst!" oder "Ich fühle mich nicht ernst genommen!" und einem "Ich wünsche mir, dass Du mich ernst nimmst.". Ich weiß nicht, wie oft ich darum gebeten habe, wenigstens diese kleine Herausforderung anzunehmen, in solchen Ich-Botschaften zu bleiben. Sie helfen so sehr, das eigene Bedürfnis zu benennen, das darunter liegende Gefühl zu zeigen. Wir sind viel zu schnell dabei, dem anderen Menschen vorzuwerfen, uns nicht zu verstehen, wo wir es doch selbst in der Hand haben, erst sichtbar zu machen was wir verstanden wissen wollen.
Ich habe mir das so sehr gewünscht, das zusammen zu üben. Ich bin überzeugt davon, dass diese Methoden ein Streiten zu etwas Verbindendem machen können statt zu einem Angreifen und Verteidigen, einem Kämpfen ums Rechthaben. Denn das spielt keine Rolle.
"Willst Du lieber Recht haben oder glücklich sein? Beides zusammen geht nicht." (Marshall Rosenberg)
Mir fällt es schwer, ein Dauerfeuer von Du-Vorwürfen auszuhalten. Ich möchte das auch gar nicht aushalten müssen. Das hat unsere Elterngeneration zu oft vorgelebt, das zerstört, verletzt und macht unnötig kaputt. Ich wünsche mir da ein erwachseneres Miteinander. Wahrscheinlich ist das auch ein bisschen dieses "der Ton macht die Musik" - es kommt eben doch sehr auf das wie an. Wir sind soziale Wesen, wir sind so sehr viel offener für Bitten als für Forderungen.
Der Theorieteil zum wie nicht zeigt die Punkte, welche einem gesunden wie entgegenstehen.
a … Das (moralische) Urteilen über den Kommunikationspartner.
b … Das Anstellen von Vergleichen.
c … Das Leugnen der Verantwortung für eigene Gefühle und Handlungen.
d … Das Stellen von Forderungen anstatt von Bitten.
Kann ich das? Jain. Es gibt es viele Gespräche, in denen mir das leicht fällt. Eigentlich immer dann wenn ich erkenne, dass der andere Mensch sich genauso darum bemüht. Ich hätte das gerne auch für die anderen Momente so gelebt. Nicht dass es mir leicht fällt, im Gegenteil. Aber wenn Kommunikation zwischen zwei Menschen wiederholt nicht funktioniert, lohnt es sich doch hinzuschauen, was beide besser machen können. Leider geht sowas nicht alleine, ich hätte mir das sehr gewünscht, über sowas mal abseits eines Streits zu reden. Ich finde das ein schönes Ziel, was man sich setzen könnte. Was man zusammen lernen kann und es beiden hilft, nicht auseinander zu fliegen.
Dieses Foto müsste zwei Menschen nicht wehtun. Wir haben das mit dem wie nicht ernst genommen.
39✈️, davon 18✈️ für die Arbeit. Seit zehn Jahren keinen Job mehr, der ✈️erfordert. Stattdessen 🚈,🚲 und wenn es nicht anders geht, auch mal🚗.
Und die anderen 21 ✈️? Einerseits nicht stolz drauf, andererseits dankbar für die Erlebnisse. Aber auch nichts, was fehlt. Die Welt ist auch so groß genug.
Wenn einem der Anker so plötzlich aus dem Herz gerissen wird und im Leben so schmerzhaft fehlt. Momente, in denen ich mal kurz nicht an Dich gedacht habe. Aber eigentlich doch immer.
Allen anderen die Schuld geben, sich mit Vehemenz in eigener Unfehlbarkeit darstellen, Verantwortung für Konflikte und Dynamiken ausschließlich bei anderen Menschen verorten.
Warum gerade die Menschen, die genau das allen anderen vorwerfen?
Ich könnte das nicht. Wie hältst Du das aus? Wie schwer fällt Dir ein "Ich bin nicht gut darin...", ein "es tut mir leid..." oder ein "ich war auch unfair..."?
Es dauerte ein paar Stunden neulich, sämtliche Chats, Mails und SMS noch ein Mal zu lesen und zu löschen. Bitter zu lesen - es hat keine Rolle gespielt, ob mir etwas weh tat. Entschuldigungen waren eine Einbahnstraße. Ich habe keine gefunden von Dir.
Habe ich Dir weh getan? Ja! Ist es eklig, auszuhalten, dass man scheiße gemacht hat? Ja!
Ich werde nie verstehen, warum Du das nicht kannst. Anerkennen, wenn Du jemanden wehgetan hast. Verantwortung übernehmen, die Scham aushalten und Dich entschuldigen, Dir selber verzeihen.
Ist es auf Dauer nicht belastend, dass immer alle anderen Schuld sind? Schubladen. Schwarz-weiß. Ja/Nein. Immer/Nie. Böse/Gut. Als ob wir nur zwei Zustände sein könnten. Wir schätzen, feiern und lieben an einem Menschen ja nicht alles, genauso wie wir nicht alles ablehnen oder kritisieren. Wir leben in Zwischentönen.
Woher dieses "Austeilen aber nicht Einstecken"? Ist das Angst davor, von anderen Scheiße gefunden zu werden, nicht ok gefunden zu werden? Kritikfähigkeit von allen einfordern, aber selbst nicht aushalten können, dass Du anderen weh tust?
Ist es einfacher, sich schwurbeligen Insta-Quatsch zur Selbstbestätigung reinzuziehen, bisschen Esoterik, bisschen gutklickende Trendwörter, Horoskop-Feeling? Einfache Antworten für komplexe Fragen? Funktioniert so semi, wenn man sich umschaut.
Augenhöhe einfordern heißt eben auch, die selbst auch einhalten zu können. Jedesmal die gleichen Muster, das gleiche Machtspiel. Ich verletze Dich, Du haust um Dich und tust mir weh, wo es tief geht, dann bin ich wieder dran und zieh meine Nummer durch. Wir hätten dieses Verhalten als gemeinsamen Gegner sehen können, oder uns. Ich hatte keine Kraft mehr für letzteres. Keine Energie mehr für dysfunktionale Dynamiken.
Was ist so unmöglich daran für Dich, sich mal ernsthaft mit den eigenen Themen zu beschäftigen, Hilfe zu suchen oder Verantwortung zu übernehmen? Da habe ich mehr von Dir erwartet, mehr erhofft und zugetraut. Aber es ist nicht meine Entscheidung. Ich weiß selbst, dass es nur funktioniert, wenn man das wirklich möchte - Fehler und Muster einzugestehen, Scham aushalten, damit beschäftigen, Hilfe annehmen, die tiefen Wunden heilen, lernen, wachsen.
Das Maß, mit dem sich Menschen einander wehtun, steht in umgekehrter Relation zu ihrem Selbstwert.
Ich hätte viel früher Grenzen ziehen müssen. Ich habe gehofft. Das wir näher kommen können. Dass Du mir zeigst, was unter dem Granit los ist. Warum Du tust, was Du tust.
Stattdessen haben wir uns Machtspiele geliefert und uns über Klippe gejagt. Fallen lassen. Ins nichts.
Wir haben nie miteinander geweint. Um das, was uns angetan wurde nicht und um das, was wir uns angetan haben nicht. Du warst immer schön, mit Deinen Narben. Und daran hätte sich nichts geändert, wenn Du auch die inneren gezeigt hättest. Unser Versprechen war Nähe. Ich habe mich verletzlich gemacht, Dir meine kaputten Stellen innendrin gezeigt, die vor denen ich Angst habe. Vertraut darauf, dass Du vorsichtig damit bist, dass Du das auch zeigen kannst.
Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du eines Tages dem Mut dazu hast. Deine Granitmauern einreißt und Dich jemandem mit all Deinen Verletzungen zeigen kannst. Ich habe ein paar Jahrzehnte gebraucht, das zu lernen.
Es braucht diesen Mut zur Verletzlichkeit. Für Nähe, für Verbindung, für Bindung. Für die Liebe.
'94, MeckPomm, zwischen "bist du links oder rechts?", dem Entdecken von ungeordneten Freiheiten und Sommern voller Seen, Wäldern und Tekkno. Es gab diese eine Möglichkeit, Geld bar auf die Hand zu verdienen, 10 Mark die Stunde. Dafür musste man gelbe Säcke sortieren, wenn man ne Weile dabei war, in den Nachtschichten Pappe und Papier. Das waren die beliebtesten Schichten. Monoton, die Pappe rauszufischen, oder durchgefärbtes Papier. Deshalb war es immer etwas besonderes, wenn irgendwelche Restbestände, z.T. noch foliert da übers Band kamen. Raufasertapete, Schulblöcke oder - Bücher. Ich habe nie rausgefunden warum die dort landeten. Nagelneu eingeschweißt, meist Paperback. Aber es war der Beginn einer andauernden Reise mit Douglas Coupland. Der Titel Generation X seines damals drei Jahre alten Buches war mir zwar ein Begriff weil irgendwer irgendwo mal drüber geschrieben hatte - aber in den Händen hielt ich es dann erst eines nachts in dieser Halle damals.
In diesem Buch taucht der Begriff McJob auf, für mich damals neu und schonungslos im Kontext der neuen Freiheit wie sie da draußen einer ganze Generation ihre Identität genommen hat. Treuhand, Abwicklung, ABM-Maßnahmen. Ich habe diesen Begriff irgendwie popkulturell verortet und ab und zu benutzt.
Dieser Begriff hat eine neue, persönliche Geschichte bekommen, letztes Jahr. Ich habe Deine Arbeit so genannt. Das war kein gutes Gespräch damals. Es gab vielleicht auch nie eins, was gut hätte werden können über dieses Thema - Arbeit. Ich habe das, was es mit Dir gemacht hat, sehr lange nicht verstanden.
Ich habe nie befristet gearbeitet. Ich habe nie keine Wahl gehabt. Ich habe ungute Jobs jederzeit beenden können, ohne eine Angst vor dem wie weiter? haben zu müssen. Ich bin sehr privilegiert was das angeht. Zum ersten Mal eine Entfristung in Aussicht zu haben nach vielen Jahren aneinandergereihter Unsicherheiten, nach schiefen Strukturen in verschiedenen Systemen. Es ist ein himmelweiter Unterschied. Einer, den ich zu bewerten kein Recht habe.
Ja, in dem Job läuft vieles falsch und manches ist strukturell richtige Scheiße. Da gibt es viele Dynamiken zwischen den dort arbeitenden und mittendrin Dich. Mal mit Frust, mal mit Angst - vor allem vor der Entfristung. Und natürlich auch mit den ungelösten Problemen, sperrigen Umgang mit Kolleg:innen bis hin zu Verletzungen, die niemanden interessieren.
Und dann ist da noch die zweite Ebene. Das Werten, Bewerten und letztlich Abwerten. Habe ich mir gefallen wollen in dem Gedanken, zu wissen wie es geht? Dir zu zeigen, dass Du etwas richtig machen musst, dann klappt das schon? Da kam ein gutes Stück meiner "Großartigkeit" mit der ich so am Kämpfen bin durch und ich habe diese Ebene nicht bemerkt. Diogenes' "Geh mir nur ein wenig aus der Sonne" trifft es vielleicht ganz gut. Du brauchtest keine Ratschläge, keine Klugscheisserei und keine Wertung.
Vielleicht ist es völlig in Ordnung, so wie es ist. Vielleicht entscheidest Du Dich eines Tages, etwas Neues anzufangen.
Ein "egal, was Du vorhast - wenn Du meine Unterstützung willst - die hast Du" hätte gereicht. Das tut mir leid.
(...und doch bricht es mir immer noch das Herz, dieser Moment in dem Du sagtest, dass Du in Altersarmut landen wirst. In mir wehrt sich alles dagegen, das zu akzeptieren.)
Es war keine gute Woche, damals. Wir waren nicht beieinander, in der Ferne.
Freitagnachmittag, Fernverkehr, Verspätungen, strömender Regen bei Dir, Straßenbahn, die letzten Meter zu Fuß, durchgeweicht. Dann ein Finger an der Klingel mit Deinem Namen, die andere Hand drückt an die Haustür. Es ist nicht das Surren was öffnet, die Tür war nicht ins Schloss gefallen. Endlich ins Trockene, Treppenstufen - innehalten.
Etwas ist anders.
Deine Tür ist nicht angelehnt - sonst immer. Noch einmal klingeln, den Regen aus dem Gesicht wischen, durchatmen. Endlich wieder sehen. Nichts. Die Tür bleibt zu. Verwunderung, keine Nachricht auf dem Telefon, klingeln, sachte klopfen.
Nichts.
Die Minuten vergehen, Rucksack abstellen. Ist etwas passiert, musstest Du nochmal los, es ist halb zehn, wo bist Du? Chatnachrichten, fragend, Klingeln, Klopfen. Nichts. Ein Blick aus dem Treppenhausfenster auf Deinen Balkon, kein Lebenszeichen, draußen fällt das Wasser vom Himmel. Tür, Klingeln, Klopfen, Anrufen, Chatnachricht.
Nichts.
Es vergehen Minuten, fünf, zehn, mehr. Unsicherheit, Fragen, Zweifel. Was passiert hier gerade? Immer wieder geht das Treppenhauslicht aus. Mir wird langsam kalt, die Hose klebt nass an mir. Innehalten, atmen. Ich presse mein Ohr an Deine Wohnungstür. Es ist nicht leise. Der Fernseher läuft. Chaos in meinem Kopf. Warum? Was ist passiert? Wo bist Du? Ist Dir etwas passiert? Klingeln, Klopfen, Anrufen.
Nichts.
Ich beginne zusammenzusinken, erst innerlich, dann sackt mein Körper gen Boden. In dieser liebgewonnenen, Deiner Stadt, Freitagabend um zehn, gestrandet. Der Abtreter macht die Schwelle weniger hart, ich sinke zusammen und lehne den Kopf gegen Deine Tür. Ich starre auf ungelesene Nachrichten, Status "zugestellt". Ich strecke den Arm hoch. Klingeln, Klopfen, Lauschen.
Nichts.
Nur der Sound vom Streaming füllt den Raum hinter der Tür. Warum? Vollbremsung innen. Die Minuten vergehen. Telefon, Suche auf - "Hotel", "Pension", "verfügbar". Nein. Nein, irgendwas ist Dir passiert. Sorge. Klingeln, Klopfen, Anrufen.
Nichts.
Ich sitze zusammengeknüllt auf Deiner Türschwelle und weiß nicht wie mir geschieht. Irgendetwas tief in mir fühlt sich erinnert. Aber ich bemerke das damals nicht. Das Telefon in meiner Hand bleibt stumm und das Treppenhauslicht geht wieder aus. Nach 30 Sekunden das Display. Dunkelheit. Mein Finger tastet rechts, drückt. Im blassen Licht die Nachrichten-App auf, tippen. Fragen. Nach dem was ich nicht will, was nicht sein darf, nicht passieren darf, nicht sein soll. Ich will nicht ohne Dich sein. Und doch muss ich danach fragen - wenn das der Schluss sein soll, dann lass mich wenigstens meine Sachen einpacken. Gesendet. Es wird noch irgendwo ein Zimmer in der Stadt geben. Klingeln, Klopfen. Der Magen dreht sich, mir wird schlecht.
Nichts.
Nach über einer halben Stunde machst Du die Tür auf. Du stehst da, schaust mich verwundert an - "Du bist ja da.". Es ist alles so unwirklich, ich treibe im Nichts. Aus Deinem Mund kommt ein emotionsloses "Sorry, ich bin eingepennt.", Deine Augen lassen mich nicht zu Dir. Ich trete ein, Rucksack abstellen, Hände waschen, nasse Klamotten aus. Auf der Herdplatte steht Essen, die Pfanne ist warm. Ich frage nichts. Ich bin in mir nicht hier. Wir reden das ganze Wochenende nicht darüber. Keine Frage, wie lange ich schon da bin. Die Ankunftszeit steht im gemeinsamen Kalender. Kein Wort zu meiner Frage.
Nichts. Keine Regung.
Es spielt keine Rolle, was wirklich war. Machtspiel oder nicht. Diese Kälte ist es, die weh getan hat.
Wer Geborgenheit nie kennengelernt hat, für den ist Einsamkeit die vertrauteste Sicherheit die es gibt. Und wenn eine Geborgenheit dann wehtut, verletzt, ist in der Leere immer diese altvertraute Sicherheit. Sich darauf verlassen können, dass es diesen sicheren Ort im Zwischeneinander gibt, wo man nicht für seine Traumata verlacht wird. Wo man lernt, dass man die langsam loslassen kann und Gefühle den rational gelernten neuen Weg bestätigen.
Ich habe dieses Jahr die andere Seite kennengelernt. Vor drei Jahren war es ein schmerzhafter Weg, Arschlochanteile in mir zu erkennen, zu benennen und anzunehmen. Zu fühlen, zu spüren wo die herkamen. Es war gut und richtig und wichtig. Es war nötig. Ich konnte da erst ran als ich wollte. Und ich wollte. Weil es für mich keine andere Lösung gab. Ich will nicht so sein wie ich damals war. Das war ein Vorsatz, ein Versprechen. Nicht nur mir gegenüber.
Mit dem Mut und der Hoffnung, dieses Versprechen einzulösen bin ich offen auf einen Mensch zugegangen. Habe diese tiefsitzenden Verletzungen, diese Kränkungen gezeigt. Nicht um Mitleid zu bekommen. Oder gar um "betreut" zu werden. Es ist allein meine Verantwortung, damit umzugehen, andere Wege im miteinander zu finden. Dieses sich-verletzlich-zeigen üben, darin sicherer werden, Sicherheit finden. Wenn wir nicht wissen, wie wir irgendwohin kommen, schauen wir auf eine Karte, benutzen Navigationshilfen, Anhaltspunkte, Wegweiser. Ich wollte meine Prägungen, meinen kaputten Selbstwert zeigen damit der im miteinander nicht bestimmend wird, damit der zusammen navigiert werden kann. Mir fällt Regulation schwer. Es wird besser, aber es ist Arbeit. Es hilft ungemein, zu zeigen, woran man gerade zu knabbern hat, wo ich festhänge. Aber das ist nur die eine Hälfte. Es braucht auch ein Gegenüber, dass mit einem Wohlwollen darauf schaut, dieser Verletzlichkeit nicht mit Härte und Abwertung begegnet. Wenn eine Dynamik zwischen zwei Menschen sehr heftig, sehr intensiv zwischen Verletzen und Verletzsein schwankt, ist es fast unmöglich, alleine diese Herausforderung zu navigieren. Es braucht einen gemeinsamen Rahmen, ein Versprechen, diese Dynamiken als gemeinsame Hürde zu sehen. Und manchmal braucht es mehr als nur ein safeword um in die Coregulation zu kommen. Dass sowas eine Beziehung komplett ändern kann habe ich im letzten Jahr erfahren dürfen.
Vor knapp anderthalb Jahren ist ein immer wieder mal auftretendes schwieriges Miteinander mit einer Kollegin zu einem offenen Konflikt zwischen mir und ihr geworden. Ich war unzufrieden mit Arbeitsergebnissen, sie verängstigt von meiner direkten Art, das zu verbalisieren. Sehr cool von unseren Kollegen und Chefs - Mediation als Tool einzusetzen. Zwei herausfordernde Tage, das aufzudröseln. Tränen, Klöße in Hälsen, Aha-Momente und von Augen gefallene Schuppen. Ich habe meine Bringe- und Holschuld besser verstanden, das Nachfragen, Erläutern, Zuhören und Hineinversetzen seitdem sehr verändert. Wir sind insgesamt liebevoller im Umgang miteinander geworden. Selbst die Verklemmtheiten eines Chefs weichen langsam auf. Sie hat ihre vor zwanzig Jahren aufgegebene Baustelle wieder angefasst und eine richtig gute Unterstützung gefunden. Jede Woche freitags ist sie für zwei Stunden um die Ecke und arbeitet sich durch alte Themen. Uns geht es prima mittlerweile. Wir schnacken über unsere jeweiligen Therapieerlebnisse, -rückschritte und -ergebnisse.
Ich hab z.B. gelernt, wie jemand mit ADHS und leichten Autismusstörungen jeden Tag so kämpft und was da so hilft. Wie viel einfacher Situationen einfach werden wenn man einander versteht. Und warum sie so derbe gerne bastelt, näht und sich stundenlang mit sowas Beschäftigungsintensiven in einen sicheren Zustand bringt. Ihr erstes book-nook war noch als Bausatz gekauft, mittlerweile fertigt sie die Bibliotheken von Hand - hunderte Mini-Bücher von Hand geschnitten, beklebt, bemalt. Jedes Büro bekommt eins. Jetzt lachen wir über Fragen die wir haben und setzen uns hin, haben zusammen die Grundlagen von Stromkreisen durchgequatscht, Dioden, Litze und kapazitive Taster bestellt. Ich hab ihr Löttipps gegeben und bekomme prima Rat für meine ersten Versuche an meiner Overlock-Maschine. Früher hat sie sich immer kleiner gemacht als nötig - sie würde unsere ingenieurige Arbeit ja eh nicht verstehen und wäre nix wert - was uns hier alle auf die Palme gebracht hat und oft für Tränen bei ihr und Unverständnis bei uns gesorgt hat. Unterschwelliger Frust bei allen.
Es hat ein bisschen gedauert, zu leben, das hier alle gleich wichtig sind. Ich bin ziemlich dankbar, hier mit den richtigen Menschen umgeben zu sein. Und wir haben ein gemeinsames safeword vereinbart - für den Fall, dass wir gerade in ein Problem schlittern. Dann ist die Abmachung, dass wir uns auf die Mediation, auf den Ursprung unseres Themas beziehen und einen Ausweg finden können. Wir haben dieses Hilfsmittel noch nie benötigt.
Und gleichzeitig ist eine andere Beziehung zerbrochen. Wenn zwei Menschen mit traumatischen Erlebnissen aufeinander treffen, ist es eine Annäherung innerhalb des gleichen Spektrums - ich kenne, was Du erlebt hast, ich weiß um das was es mit Dir gemacht hat. Wenn diese beiden niedrigen Selbstwerte dann aufeinander treffen braucht es sehr bewusste, reflektierte Behutsamkeit im miteinander.
"Ich bin kein Jubelclub" - das fand ich schön. Weil es mir Sicherheit gab, nicht in den alten Modus zu verfallen, dieses von-oben-herab. Doch wohin mit meinem Selbstwert, der ja nach wie vor lädiert ist? Ich bin in die andere Richtung gekippt. Weil es sich so unbewusst vertraut angefühlt hat, dass mit mir wie mit einem Kleinkind umgegangen wird. Etwas tut mir weh - natürlich kann ich das aushalten. Und zack ist der andere kaputte Selbstwert auf einmal der, der mir von oben herab wehtut. Im Grunde sind wir beide immer hin- und hergependelt. Zwischen diesen von-oben-herab-Verletzen und im-unten-Verletztwerden. Machtspiele. Ich schäme mich sehr für meine von-oben-herab-Momente. Mein Abwerten, mein Verletzen. Ich wünschte mir fiele es leichter zu benennen - hey, ich bin gerade wütend auf Dich weil ich mich getriggert fühle. Ich überspringe diesen Schritt des Erkennens, des Fühlens und gebe meiner Reaktion, meiner Emotion an dieser Stelle den altbekannten raum. Mein antrainierter Schutzmechanismus ist dann schnell aktiv. Diese Dynamik aus, eine Person zieht sich zurück, die andere drängt nach ist schwer aufzulösen, wenn sich beide dieser Dynamik so gar nicht erst bewusst sind. Wenn man instantan den anderen Menschen als Gegner seines Zustandes verortet wird es unheimlich schwer. daraus auszubrechen.
Es ist nicht wirklich Trost, festzustellen, dass man das zu zweit nicht hinbekommen würde. Nicht ohne Unterstützung, einen sicheren Raum, in dem beide ungefährdet ihre verletzten Seiten zeigen können.
Irgendwie fühlt es sich so an, als ob ich die andere Seite meines Ichs gerade miterlebt habe. Damals wollte jemand, dass ich mir helfen lasse. Ich wollte nicht, habe dafür kein Verständnis gehabt, abgewehrt, was tief in mir war und keinesfalls wahr sein durfte. Jetzt weiß ich wie sich das für den anderen Menschen damals angefühlt haben muss. Diesmal habe ich versucht zu zeigen, dass Hilfe etwas gutes ist. Das es Dinge in uns gibt, die wir ohne Hilfe nicht erkennen, nicht ändern können. Was bleibt - man muss das wollen. Ohne eine solche Bereitschaft, solch ein committment, ohne diesen Mut geht das nicht. Und das erfüllt mich mit großer Traurigkeit.
Aber - man kann nicht Nichtlernen.
Ich musste mich erst wieder dahin regulieren, zu spüren wie sehr ich einem Menschen wehgetan habe. Mich sozusagen runterholen in die Demut, dort wo die Scham sitzt, anzuerkennen wo ich ein Arschloch war. Langsam dann dahin zugehen, warum das so zutage gekommen ist, welcher Mechanismus da in mir gewirkt hat, welche Anteile ich schützen wollte und welche Vermeidung ich damit gelebt habe. Ich sehne mich danach, mich geborgen zu fühlen, mich fallen lassen zu können, ich möchte weich sein, mich angenommen fühlen. Ich möchte nicht noch mehr Schmerz aushalten können, müssen. Das macht mich hart, das macht mich gemein, das macht mich verletzend. Ich möchte mir nicht wehtun lassen. Ich möchte meine traumatischen Erfahrungen, meine Defizite nicht gegen mich verwendet wissen, ich möchte mich sicher fühlen. Ich möchte gemeinsam wachsen, diese Dinge zeigen dürfen und ernstgenommen wissen. Ich möchte auf Augenhöhe wahrnehmen und auf Augenhöhe wahrgenommen werden.
Ins Fühlen kommen und spüren, was gerade bedrohlich ist, was gerade die alten Ausweichreaktionen reaktiviert. Dann ist es möglich, diese Muster auch einander zu zeigen, zu benennen. Das braucht eine Sicherheit, die man dann oft nicht mehr füreinander schaffen kann. Die getriggerten Anteile, die Traumata zu benennen, zu spüren und auszuhalten ist kraftraubend, aber hilfreich. Es hat ein bisschen gebraucht, bis ich das aushalten konnte. Ich habe keine Angst mehr davor. Es hat mir damals geholfen und ich habe auch heute keinen Schiss davor.
"... Mag sein, dass die reaktionären Kräfte jetzt gewinnen, der Trend ist ja eindeutig so. Aber grundsätzlich bin ich davon überzeugt: Früher oder später werden sie verlieren."
"Was gibt Ihnen diese Hoffnung?"
"Ich glaube einfach nicht, dass es auf Dauer funktioniert, immer nur darüber zu jammern, dass das Land untergeht und wir alle nur dem Verderben entgegensteuern. Das ganze Gerede von Deutschland im Niedergang und darüber, wie geil alles noch zur Kaiserzeit war, das können doch nicht die Antworten auf die Fragen sein, die wir uns für die Zukunft stellen. Das ist auch einfach unsexy."
Die Hitlerjugend heißt jetzt anders. Ansonsten ist es der gleiche Sud wie vorher. Es bleibt soweit erst einmal alles beim bisher bekannten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird auch die Namensgebung nichts an der (formal noch unbelegten) verfassungsfeindlichen Ausrichtung ändern.
Es gilt weiterhin, die Prüf-- und Verbotsverfahren weiter zu fordern.
Und sonst. Es waren Bilder wie es sie schon immer gab. Da rennen Orks ne Demolinie nieder. Selber oft genug erlebt, gehört, gespürt. Völlig überbewertet wird, das aus den vergleichsweise wenigen Situationen auf ein allgemeingültiges Zukunftsbild abgeleitet wird. Diese Art Stress gab und gibt es seit jeher. Cops müssen ihre Show abziehen und beide Seiten haben ihre PR.
Wie immer fällt der Rest völlig hinten runter. Bei 25k...50k friedlichen Demonstranten sind 25, bei denen es zu Ermittlungen kommt, völlig medial schief eingeordnet.
Der Staat hat seine Bilder um mehr Härte zu fordern. Der Kackhaufen kann rumopfern und hetzen. Der Rest? Kann sich Angst machen, weil es quasi diese eine Szene aus zig Winkeln auf dutzenden Accounts künstlich verstärkt wahrnimmt. Oder den Aufwand betreiben, zu schauen, welche Effekte hat das breite Protestieren gehabt, was bleibt davon usw.?
Und da es eh keine Alternative gibt, als weiter dagegen zu kämpfen, macht es erst recht Sinn, sich klarzumachen, welche tatsächlichen Verhältnisse da existieren. Mit diesem Ansatz finden sich dann auch leichter Gründe für das Weitermachen und für das gemeinsame sichtbar sein.
War noch nie gut und hilfreich, sich auf den negativsten Aspekt zu konzentrieren und den als Benchmark zu betrachten.
manchmal gibt es Alben die genau zum richtigen Moment auftauchen.
"Unsterblich sein (*)" - grad keine Worte. "Marlboro Mann" - ja, ich weiß. Vielleicht kann ich das auch alles einfach nicht, dieses weitergehen. "All die schönen Worte" - endlich Faber live sehen, hören, fühlen - und derbes Brett. "Wenn ich tot bin, fang ich wieder an" - irgendwann, irgendwann wieder weiter. "Fallen in Liebe" - die gleichen Fehler an derselben Stelle, ach Her.Z. "Schief in jedem Chor" - auf alles scheißen fällt einem leichter zu zweit. "So rechts" und "Halts Maul und spiel" - beides in die gleichen Hackfressen. "Zeit aus dem Fenster" - ey is nich das Ende. "Kippenautomat" - schreit Deinen Namen, find Nichtrauchen immer noch sexy. "Ein Letztes Mal" - haut grad böse rein, scheiß Magnet, ey. "Unsterblich Sein (‡)" - das mit den Augen.
Ich werde heute auf dieses Konzert gehen. Das Ticket vor einem Jahr gekauft hat mich Mine durch die letzten beiden Jahren begleitet. Dann heute mit Orchester. Alleine,
"Weil der Mensch schwach ist und immer versagt"
Ich werde heute heulen und es wird nicht aus Freude sein. Vielleicht ein bisschen. Hoffentlich.