2007/08/15

BABEL

Ein grosser Name. "Der Turmbau zu Babel" (Genesis 11,1–9) - hat mich schon früh fasziniert, unmittelbar das Gemälde von Pieter Brueghel dem Älteren. Fand die Geschichte so unvorstellbar, machte aber auch so neugierig. Was ist dran an der Unfähigkeit die grösste Gabe des Menschen, die Sprache nicht nutzen zu können? Es ist irgendwie Bestimmung den Film auf meinem Rückflug von Australien gesehen zu haben. An Iñárritus vorige Werke (Amores Perros, Powder Keg [The Hire] - zu The Hire komm ich auch nochmal..., 11'09"01 – September 11 [Segment Mexiko], 21 Gramm) anschliessend, war ich schön überrascht, soviel vertrautes zu entdecken. Mittlerweile ein ganz unverwechselbarer Stil zu drehen, zu erzählen, mitfühlen zu lassen. Berührend diese Tragik selbst zu leben. Entgleiten von allem, trotz unserer Zeit, allem was heute möglich ist, uns angeblich dichter zusammenrücken lässt, Kommunikation ist käuflich. Telekom etc.. Aber da ist es eben schon wieder. Das Leben ist nicht zu verkaufen, seine grundlegenden Dinge sind es schon viel weniger. Sich jemandem mitteilen, kommunizieren, einen Weg zu finden, Gefühle zu transportieren. Entweder es gelingt oder nicht. Welcher Mittel man sich bedient ist letztlich egal. Was transportiert wird und ob man überhaupt etwas zu transportieren hat ist ausschlaggebend. All diese Auswüchse unserer hoffnungslosen Versuche jemandem im Geiste zu finden, mit dem man tiefer blicken kann als es einem selbst gelingt lassen uns solche Strohhalme wie Facebook, MySpace, StudiVZ oder eben auch solche blogs füllen. Doch wie nah kommen Menschen einander dadurch wirklich? Ist dieses Ersetzen von Selbsterkenntnis durch copy+paste ausreichender Ersatz für innere Leere und Kommunikationsunfähigkeit?

Genau das wird so dramatisch in Babel gezeigt, sanft und doch voller Härte. Wie den Figuren Situationen entgleiten, einander vermeintlich nah und doch so fern. Die Diplomaten, schon gar nicht mehr in der Lage ihrer Berufung nachgehen zu können, in Zeiten von Terror und weltweitem Angstwahn überhaupt nicht fähig im Detail zu sehen, zu hören, zu verstehen. Dann die herzensgute Haushälterin die anvertrauten Kinder zu ihrer Familie nach Mexiko mitnehmend, scheiternd durch ihren Neffen, tausendfach gesehenes Bild des jungen Mexikaners, bei der Wiedereinreise. Grausames ungewisses Sitzen im Verhör, kein Platz für die Einzigartigkeit des Menschen, der Situation, exemplarisch für alle mexikanischen Grenzschiksale. Fast mit am tragischsten ist die Tochter des japanischen Jägers dessen ehemaliges Gewehr die Erzählstränge verwebt. Vater und Tochter im schweigenden Kampf um den Tod der Mutter. Flucht in die gegenteilige Welt, laut, voll Exzess, voll Suchen. Aber am hoffnungsvollsten am Ende. Wortlos. Einander gegeben. Babel überwunden. Am berührendsten vielleicht, weil der Altersabstand beider wohl am grössten ist.

Ein Film, nach dem ich die Augen schliessen musste, nicht um zu schlafen. Tränen ein paar Kilometer überm Ozean in einer 747. Vorweggenommener Abschied.

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