Berlin. 2009. Nach dem Volksbegehren zum Flughafen Tempelhof nun also über die Pflicht zum religiösen Schwachfug. Okay. Ich bin dabei und stimme mit NEIN. Erhalte also die Abstimmungsbenachrichtigung. Denk mir okay, machste Briefwahl, weil bist ja unterwegs. Fahr also am letzten Donnerstag zum Bürgeramt - und stehe 5 Minuten zu spät - vor ner Behörde ohne Briefschlitz. Na toll. Also am Samstag wieder hin. Reiche der Dame am Tresen den Brief mit meiner Anforderung der Unterlagen. Den diese nur zogerlich annehmen will, und mir erklärt, das dass ja wohl nix mehr wird. Weil das erst durch zwei Poststellen muss. Und dann erst durch den Postausgang und ich somit die Unterlagen nicht vor Ende der nächsten, also diesen Woche erhalten werde. Was mir ja nicht helfen würde. Ich bin erstaunt, handelt es sich doch um eine eingeschossige Baracke mit nem knapp hundert Meter langen Gang - zwei Posteingänge und ein Postausgang - Respekt! Was sie stattdessen vorschlug war, in dieser Woche zum Abstimmen vorbeizukommen. Ja cool, denke ich und frage nach den Zeiten, da ich ja unter der Woche arbeiten würde und die Wegstrecke ja auch nicht eben kurz ist. Woraufhin mir die nette Dame den Öffnungszeitenzettel des Bürgeramtes reicht und stolzstrahlend verkündet "...Dienstag sogar bis 19:00 Uhr!". Gut denke ich, det schaffste wunderbar und mach mich ins Wochenende auf.
Heute ist Dienstag. Heute wollte ich wählen gehen. Ich tret also zügig in die Pedale und bin um 18:16 Uhr im Bürgeramt. Gehe zur Information und frage bei einer Kollegin der netten Dame vom Samstag nach den Räumlichkeiten zum Abstimmen. Ich werde den Zimmern 25 bzw. 27 entgegengeschickt und gehe einen glänzenden Linoleumgang entlang. Klopfe an die wahrscheinlich jedes Jahr einmal mit dicker weisser Lackfarbe zugeschmierte Amtstür 25, drücke die Klinke - und stehe vor verschlossener Tür. Ebenso an Tür 27. Niemand da. Mein Puls ist trotz 30km Radfahren wie immer ähnlich dem einer Leiche. Wieder am Informationstresen ermuntert mich die Kollegin der netten Dame vom Samstag, kurz zu warten bzw. nebenan zu klopfen. Ich mache erste Anzeichen eines verdutzten Gesichts - frage mich ob man als Wahlbeauftragte(r) die Wahlräumlichkeiten derart verlassen darf. (Jetzt stelle man sich die Linoleum-Flur-Szene etwas geraffter geschnitten vor - so wie in Snatch) Ich klopfe also gegenüber Raum 27 bei der, wie ihr Schild verheist "Hauptsachbearbeiterin". Nach der Frage ob der Wahlmöglichkeit ernte ich ein bestimmtes "Die sind schon alle weg.". Jetzt kommt der Ausdauermensch in mir durch - ich nehme es sportlich und kreise des Pudels Kern mit gezielten Fragen ein. Etwas, was einer Hauptsachbearbeiterin nicht wirklich behagt. Als auch ich keinen Informationszuwachs in Aussicht habe verabschiede ich mich freundlich um wieder bei der Kollegin der netten Dame vom Samstag vorstellig zu werden. Die mittlerweile allerhand zu tun hat. Bürgerin Nummer eins hat gar keine Wahlunterlagen zugestellt bekommen - obwohl sie lediglich vor fünf Wochen innerhalb des Bezirks umgezogen ist. Bürger Nummer zwei hatte sich telefonisch erkundigt, wann er seine Ummeldung machen kann - da er üblicherweise bis weit nach 20:00 Uhr arbeitet und am Wochenende nicht in Berlin sein kann. Eigentlich eine durchaus umsichtige Weise - die ihm nichts nützt, da er ebenso wie Bürgerin Nummer drei und vier sowie Bürger Nummer fünf heute nicht mehr bedient werden würde, da man zuviel zu tun hätte. "Das machen wir dann immer so.". Okaay, denke ich jetzt musst Du gaanz entspannt rüberkommen und mal ausloten was man hier eigentlich in Sachen Auskünfte erteilen "schon immer so" macht. Die Kollegin von der netten Dame vom Samstag nimmt eine zunehmend defensivere Körperhaltung ein und greift zum Telefon, es gäbe hier Probleme. Falsch denke ich so bei mir, ich hab doch noch ne ganz ruhige Atmung. Voila - here she comes. Aha, wenn es "Probleme gibt", wird man als Haupsachbearbeiterin also angerufen. Bloss das sie nicht so cool wie Wulf in Pulp Fiction rüberkommt. Aber hey, ist ja auch Berlin-Lichtenberg und nicht L.A..
Der deutsche Amtsmensch ist ja eher so der Tüp der mich nich so anspricht. Is immer noch so. Es wurde weder darauf eingegangen zu erfahren warum es zu solch vielschichtigen Fehlinformationen kommen kann, es wurde auch nicht zugegeben das unkorrekte Auskünfte erteilt wurden - aber es wurde klar ich würde hier heute nicht wählen können. So wie Bürger eins bis fünf ebenfalls nicht einen Schritt näher an Lösung ihres Anliegens kamen - innerhalb der normalen Öffnungszeiten des Amtes.
Aber ich schweife ab. Zurück zu meinem Begehr - meine Stimme abzugeben. Mir wird schon bald nicht mehr zugehört, sondern gebetsmühlenartig "...schon immer nur bis 18:00 Uhr..." entgegengeworfen. In einer hauptsachbearbeiterlichen Atempause frage ich dann (wortwörtlich): "Können Sie mir bitte eine mathematisch eindeutige Aussage geben, wann ich morgen die theoretische Möglichkeit haben würde, zu wählen?" Woraufhin ein fast schon beleidigtes "Na während unserer normalen Öffnungszeiten" ertönt. Ich hake nochmals nach - da ja offensichtlich "normale Öffnungszeiten" und Öffnungszeiten des Wahllokals in unterschiedlichen Zeitzonen definiert wurden. Und durchbreche die Endlosschleife des 18:00-Uhr-Geplapper. Mit dem Ergebnis, ich könne morgen von 08:00 bis 13:00 Uhr dort aufschlagen.
Theoretisch. Ich weiss nicht wie der ganze Laden funktionieren soll, aber zur Vereinfachung schlage ich vor, das wir alle einen auf Wirtschaftskrise machen und zu hause bleiben - dann klappts auch mit den Ämtern.
Und dann fragt noch allen ernstes jemand wieso manche Leute Lust bekommen, diesem kranken System Schaden zuzufügen.
PS: Wer also noch nicht weiss, wie er abstimmen soll, darf sich hiermit an meiner NEIN-Stimme bedienen.
1 Kommentar:
Hab auch noch 'ne Nein-Stimme zu vergeben!
Kann man einem kranken System noch schaden?
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