2022/11/14

🐈‍⬛

November is broken.

Katzen liegen unheimlich gern nachts auf dem warmen Asphalt der Dorfstraßen rum. Im Sommer sind sie dabei teilweise so träge dass man um die rumfahren muss. Und irgendwie gehört dieses Bild so gar nicht in den November. Normalerweise würden sie über die Straße huschen, sich in eine Scheune verziehen oder Einlass begehrend auf eine Fensterbank hüpfen. Es wären nur Augenblicke in der Dunkelheit, nur flüchtige Schatten. Und dann ist es November und die liegen immer noch rum. 

Das sind dann so die Stunden im Dahingleiten in denen ich es einfach nicht mehr sehe, dass wir Menschen es hinbekommen werden, diesen Planeten noch halbwegs bewohnbar zu erhalten. Ich habe dran geglaubt, hab mich auch genau deswegen dafür entschieden, dass zu tun was ich mache. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass es der richtige Weg ist - dass mit den Regenerativen, mit der Effizienz, der energetischen Optimierung in all den Facetten - technisch, wirtschaftlich und ökologisch alternativlos. Ich freue mich auch nach wie vor über jedes Projekt was da ein kleines bisschen beiträgt.

Und doch ist es frustrierend festzustellen, dass all das nicht ausreichen wird. Es reicht mir nicht. Ich akzeptiere das nicht mehr, wenn Anlagenbetreiber sich auf ein "das haben wir ja noch nie so gemacht" zurückziehen wollen oder mit einem "das haben wir schon immer so gemacht" Änderungen abwehren wollen. I have requirements. Ich weiß nicht, ob ich mich das vor fünf Jahren schon getraut hätte - einem Kunden an dieser Stelle der Diskussion quasi "moralisch zu erpressen". So fühlt es sich jedenfalls an, wenn ich mehr einfordere als aus rein betrieblicher Sicht vielleicht notwendig wäre. Und ehrlich gesagt habe ich auch keine Lust mehr auf Budget-Diskussionen dabei. Es ist nämlich am Ende immer nur Geld, nur ein kleines bisschen weniger Gewinn.

Die gute Kehrseite dabei ist, dass ich kreativ sein muss. Ich habe lange darauf rumgekaut, warum mich die letzte Zeit über Strecken so gelangweilt hat. Das zum x-ten mal gleiche Thema. Es fehlte mir einfach die Herausforderung, neues auszuknobeln, neues zu lernen, neues anzuwenden. 

Wenn meine Kindheit mich nicht hätte verinnerlichen lassen dass ich nie gut genug bin, hätte ich ja vielleicht tatsächlich die Sache mit dem Theater damals weiter gemacht, Spaß und Erfüllung hatte ich dabei jedenfalls. Aber es war einfach nicht zu schaffen gegen diese Be- und Verurteilung anzukommen. Mir etwas zu suchen, wo mir so wenig wie möglich elterliche Bewertung angetan werden konnte war letztlich meine logische Konsequenz damals.

Und irgendwie ist genau das der Grund, weshalb ich immer wieder auf der Suche bin, irgendwie "kreativ" zu sein. Ich mag das Wort nicht wirklich an dieser Stelle, weil es so viel mehr umfasst als ich es für gemein hin wahrnehme. Für mich gehört da eben ne Menge rein. Mir ein Rad so aufzubauen wie ich es für den Zweck haben möchte ist so etwas. Da gibt es trotz des Booms immer noch viele Dinge die es eben nicht von der Stange oder unisono aus einer Quelle gibt. Ich könnte sicherlich Taschen dafür auf dem mittlerweile unüberschaubar großen Markt kaufen, aber würde mich das glücklich machen? Es ist vielleicht weniger die Tasche an sich, sondern der Weg dahin, das Basteln, Nähen. So wie das Löten, das mit Holz werkeln, Kochen oder Routen planen. Es war mal das eine, mal das andere - die Deko und Beleuchtung für Technoparties, das Schnitzen, das Malen. Und am Ende auch der Sport. Wobei es gerade die beiden Sachen sind, in denen ich lange gebraucht habe, mich zu finden. Wenn man als Kind zum Flöten- und Geigenunterricht geschleppt wird und dann die Ansage man sei "musikalisch völlig unbegabt" als unumstößliche Wahrheit durch die eigenen Eltern ausgesprochen bekommt glaubt man das. Genau so, wie die Beurteilung im Schulsport - einfach unsportlich zu sein. Das macht was mit einem. Über viele Jahre. Und dann festzustellen, dass das so völlig außerhalb von dem, was einem selbst liegt und gefällt, beurteilt worden ist - das triggert. Das macht es wahnsinnig schwer, sich Sachen zu trauen, zu lernen und dabei auch noch auf Spaß, Freude zu hoffen.

Im Grunde ist es schon immer da gewesen - das Bedürfnis zu verstehen, zu lernen, zu machen - letztlich kreativ zu sein. Ich werde in vielem dabei sicherlich nicht wahnsinnig gut sein - muss ich aber auch nicht. Es genügt vollkommen wenn es mir Spaß macht. Und das ist es was ich als Minimum verlange - Spaß zu haben bei dem wo ich meine Energie hinein gebe. Als ich mit diesen Gedanken so halb random mit meinem Seniorchef am philosophieren war hat das ein weiteres Puzzlestückchen dazugelegt. Ich war neulich mit jemandem bouldern. Wir haben dann festgestellt beide mal am Theater gearbeitet zu haben - sie ist dann Architektin geworden, ich halt Ingenieur. In dem Moment konnte ich sehr schön spüren dass es davon ein bestimmtes Bild in der allgemeinen Wahrnehmung gibt. Sicherlich nicht ganz unbegründet, aber klar - wenn man in die großen Strukturen und Konzerne guckt - extrem viele normen- und regelwerkgetriebene, nüchterne, stumpf abarbeitende Planungssklaven. Mein Chef hat von einem Kreativ-Workshop erzählt auf dem es richtig gedauert hat, bis er den Sinn dahinter überhaupt verstanden hatte - Kreative in den Planungsprozess (nachträglich) reinzubringen. Die dort diskutierten Perspektiven waren jedoch so weit weg von dem Alltag den wir leben (müssen), dass mich das nicht überrascht, dass er da große Fragezeichen hatte. Und da schließt sich der Bogen - ich bin gut, sehr gut, in dem was ich tue - wenn ich Spaß haben kann, wenn ich kreativ sein kann, sein muss. Vielleicht ist es eben auch so eine verinnerlichte begrenzte Sicht auf das Wort "kreativ" - weil es eben in der strengst möglichen Definition damals zuhause besetzt wurde. Das zu hinterfragen, geschweige denn auszuweiten war schlichtweg nicht zulässig weil mit Beleidigung (wohl eher gefühlter Abwertung) gleichgesetzt.

Ich habe erstaunlich viel mit Menschen zu tun, die keine Freude haben bei dem was sie tun. Das ist mir über lange Zeit gar nicht aufgefallen, vielleicht auch nicht wichtig gewesen. Aber es macht etwas mit mir wenn ich das nicht wahrnehme, einordne, reflektiere. Ich habe immer versucht, dem gerecht zu werden. Weil ich es so unfuckingfassbar tief verinnerlicht habe, keine Bedürfnisse zu haben, spüren zu dürfen - oder wie mein Therapeut so schön sagte: "Sie sind ein Asket vor dem Herren" (keine Sorge, er ist ein prima Atheist). Tja, nun habe ich aber das Bedürfnis, mich da abzugrenzen. Ich möchte meine Zeit nicht mit runterziehenden Menschen verbringen, schon gar nicht in Projekten die über ein paar Jahre laufen. Ich habe da mein Bedürfnis, Spaß bei der (Zusammen-) Arbeit zu haben _und_ meinen Anspruch an das Gegenüber, doch bitteschön das Bestmögliche zu tun, um den Planeten hier einen Tick gebremster gegen die Wand zu fahren. 

Und da wird es spannend - lässt sich so jemand dann darauf ein, wenn ich mit meiner Sicht auf die Dinge, meiner Forderung komme? Darf ich das, habe ich dafür die Rückendeckung in der Firma? Das Ganze ist ja kein statisches System und wir reden da unheimlich viel darüber. Und das macht etwas, mit allen.

Es gibt immer einen Teil derer die man nicht begeistern, nicht überzeugen, nicht mitnehmen kann. Will ich mich, die Firma sich, mit denen beschäftigen? Oder verwenden wir unsere Energie für die, die offen sind für Veränderung? Und fast wichtiger - checken wir uns da selbst immer wieder gründlich genug? Im Moment besser denn je.

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit verdammt hoch ist, in vierzig (dreißig, zwanzig, egal) Jahren rückblickend feststellen zu müssen, dass das alles keinen Unterschied mehr gemacht haben wird - es soll zumindest das Beste gewesen sein was noch drin war. Auf jeden Fall sollte sicher sein, dass es Spaß gemacht hat.

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