2025/12/18

Nichts

Es war keine gute Woche, damals. Wir waren nicht beieinander, in der Ferne.

Freitagnachmittag, Fernverkehr, Verspätungen, strömender Regen bei Dir, Straßenbahn, die letzten Meter zu Fuß, durchgeweicht. Dann ein Finger an der Klingel mit Deinem Namen, die andere Hand drückt an die Haustür. Es ist nicht das Surren was öffnet, die Tür war nicht ins Schloss gefallen. Endlich ins Trockene,  Treppenstufen - innehalten.

Etwas ist anders.

Deine Tür ist nicht angelehnt - sonst immer. Noch einmal klingeln, den Regen aus dem Gesicht wischen, durchatmen. Endlich wieder sehen. Nichts. Die Tür bleibt zu. Verwunderung, keine Nachricht auf dem Telefon, klingeln, sachte klopfen.

Nichts.

Die Minuten vergehen, Rucksack abstellen. Ist etwas passiert, musstest Du nochmal los, es ist halb zehn, wo bist Du? Chatnachrichten, fragend, Klingeln, Klopfen. Nichts. Ein Blick aus dem Treppenhausfenster auf Deinen Balkon, kein Lebenszeichen, draußen fällt das Wasser vom Himmel. Tür, Klingeln, Klopfen, Anrufen, Chatnachricht.

Nichts.

Es vergehen Minuten, fünf, zehn, mehr. Unsicherheit, Fragen, Zweifel. Was passiert hier gerade? Immer wieder geht das Treppenhauslicht aus. Mir wird langsam kalt, die Hose klebt nass an mir. Innehalten, atmen. Ich presse mein Ohr an Deine Wohnungstür. Es ist nicht leise. Der Fernseher läuft. Chaos in meinem Kopf. Warum? Was ist passiert? Wo bist Du? Ist Dir etwas passiert? Klingeln, Klopfen, Anrufen.

Nichts.

Ich beginne zusammenzusinken, erst innerlich, dann sackt mein Körper gen Boden. In dieser liebgewonnenen, Deiner Stadt, Freitagabend um zehn, gestrandet. Der Abtreter macht die Schwelle weniger hart, ich sinke zusammen und lehne den Kopf gegen Deine Tür. Ich starre auf ungelesene Nachrichten, Status "zugestellt". Ich strecke den Arm hoch. Klingeln, Klopfen, Lauschen.

Nichts.

Nur der Sound vom Streaming füllt den Raum hinter der Tür. Warum? Vollbremsung innen. Die Minuten vergehen. Telefon, Suche auf - "Hotel", "Pension", "verfügbar". Nein. Nein, irgendwas ist Dir passiert. Sorge. Klingeln, Klopfen, Anrufen.

Nichts.

Ich sitze zusammengeknüllt auf Deiner Türschwelle und weiß nicht wie mir geschieht. Irgendetwas tief in mir fühlt sich erinnert. Aber ich bemerke das damals nicht. Das Telefon in meiner Hand bleibt stumm und das Treppenhauslicht geht wieder aus. Nach 30 Sekunden das Display. Dunkelheit. Mein Finger tastet rechts, drückt. Im blassen Licht die Nachrichten-App auf, tippen. Fragen. Nach dem was ich nicht will, was nicht sein darf, nicht passieren darf, nicht sein soll. Ich will nicht ohne Dich sein. Und doch muss ich danach fragen - wenn das der Schluss sein soll, dann lass mich wenigstens meine Sachen einpacken. Gesendet. Es wird noch irgendwo ein Zimmer in der Stadt geben. Klingeln, Klopfen. Der Magen dreht sich, mir wird schlecht.

Nichts.

Nach über einer halben Stunde machst Du die Tür auf. Du stehst da, schaust mich verwundert an - "Du bist ja da.". Es ist alles so unwirklich, ich treibe im Nichts. Aus Deinem Mund kommt ein emotionsloses "Sorry, ich bin eingepennt.", Deine Augen lassen mich nicht zu Dir. Ich trete ein, Rucksack abstellen, Hände waschen, nasse Klamotten aus. Auf der Herdplatte steht Essen, die Pfanne ist warm. Ich frage nichts. Ich bin in mir nicht hier. Wir reden das ganze Wochenende nicht darüber. Keine Frage, wie lange ich schon da bin. Die Ankunftszeit steht im gemeinsamen Kalender. Kein Wort zu meiner Frage.

Nichts. Keine Regung.

Es spielt keine Rolle, was wirklich war. Machtspiel oder nicht. Diese Kälte ist es, die weh getan hat.



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