2023/05/16

Re: Muttertag

Einer der wichtigsten Sätze meines Therapeuten: Kinder schulden ihren Eltern nichts. Es vergeht ja kaum ein Tag und keine Woche wo mich das nicht beschäftigt. Das, was damals das "normal" war. Der erste wichtige Schritt war vor Jahren, den Kontakt abzubrechen. Zurückblickend irgendwie intuitiv und um mich vor weiteren Verletzungen zu schützen. Es hat die Menschen, die mir nahe waren nie wirklich auf der Gefühlsebene interessiert, was diese Zeit als Kind mit mir gemacht hat. Ein gutes Stück weit auch, weil ich gelernt hatte, das zu verstecken. Zum Teil, weil diese Menschen selbst kaum einen stabilen Selbstwert mitbrachten und/oder verlustängstlich geprägt aufgewachsen waren.

Eine dritte und nicht weniger leicht auszuhaltende Ebene ist aber "die Gesellschaft". Menschen, die im weiteren Bekannten- oder Familienkreis verortet waren bis hin zu völlig außerhalb stehenden Personen. Es erzeugt einen wahnsinnigen Druck ein hingesagtes "... aber es ist Deine Mutter/Familie/etc. ..." auszuhalten. Ganz besonders wenn passiv-aggressiv agierende Menschen das in einer subtilen abwertenden Verurteilung verpacken. Ich finde es tragisch, dass diese Menschen selbst nicht anders können als so zu sein. Für das meiste, was mir weitergegeben wurde, gibt es sicherlich Gründe in der Kindheit meiner Eltern. Interessiert hätte es mich ja schon irgendwie - allein es führt kein Weg hin, davon zu erfahren. Weil die Scham über die mütterlichen Schuldgefühle einfach zu mächtig sind.

Bleibt am Ende nur, zu mir selbst so gut und liebevoll zu sein wie es meine Eltern, meine Mutter, es nie sein konnten. Auch wenn das immer wieder alte Wunden aufreißt, weh tut und anstrengt.

Aberglaube

Aberglaube? Vielleicht. Der alte Schlitten ist nun wirklich durch, die speckige Kordel seit der ersten Tasche muss bleiben. Zu oft draufgekrümelt und dran rumgezogen. Wir verstehen uns einfach zu gut.





2023/05/05

Aber die Freiheit!

Drei Schlafsacknächte mit Sonnenbrandtagen, Jungfüchsen, einem chillenden Dachs und drölfzigtausend lärmenden Vögeln in den Stunden vor den Sonnenaufgängen. Hamburg hat Hügel - wenn man ein bisschen (weiter) rausfährt. Ein 880km-Bogen an der Elbe lang, durch Sachsen-Anhalt (wo man fleissig Autobahnen neubaut) und dann in den Ostharz rein. Gefühlt hatte jede Feurwehr den Grill angeworfen, ein paar Walpurgis-Spielmannszüge und Hexenkostüme auf den Straßen. Schon beim letzten Mal durch den Harz - zwar größtenteils nachts und von Westen aus rein rüber zum Brocken - war das so als schale Erkenntnis zurückgeblieben - es war einmal. Keine grünen Tunnel aus Bäumen links und rechts, keine Schattenspender, kein Windschutz. Gerodete Mondlandschaften. Grau-braune Unwirklichkeit. Vor Jahren war ich mal im Winter da, als es Schnee gab. Zwar standen da die Wälder noch, aber im Schnee würde man die kaputte Realität ignorieren können. Jetzt - wo es eigentlich die knalligste Zeit der austreibenden Grüntöne wäre - lässt es sich nicht übersehen. Eigentlich gibt es keinen Grund mehr in den Harz zu wollen. Klar, wenn Ausflugslokale, die Harzbahn oder die 8km-Wanderrunde durch das Totholz locken vielleicht doch noch. Erholung "in der Natur" - LOL. Keine Ahnung, ob die Leute deswegen mittlerweile merklich wegbleiben, aber die, die trotzdem kommen, tun es konsequent - drei von vier Autos sind SUVs.


Das eine Minute später an dieser Stelle ein paar Hundert Zweitaktmotoren, hauptsächlich Ost-Mopeds und ein paar Trabbis die Luft für die nächsten hundert Atemzüge versaut haben - geschenkt. Als Bild für die Kapelle auf der Titanic ganz gut geeignet. Wir hier verbrauchen - seit Jahren unverändert - Ressourcen für drei Welten. Aber die Freiheit!